(Zu) lockere Vergangenheitsbewältigung? Über den legeren Umgang mit dem Führer
Die Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus als Grundlage für Hitler-Witze und lustige Memes? Darf man sich mit einem gewissen zeitlichen Abstand über alles lustig machen, einschließlich der dunkelsten Periode der deutschen Zeitgeschichte? Es scheint, als wären seit der Jahrtausendwende Scherze über Hitler salonfähig geworden. Woran das liegt und ob die Gesellschaft tatsächlich an einer Mischung aus kontrafaktischer Geschichtsschreibung und aus zeitlichem Abstand herrührender Verharmlosung leidet, hat Gavriel D. Rosenfeld näher untersucht.
Vom wissenschaftlichen Forschungsobjekt zur Witzfigur: Der Wandel der Rezeption von Adolf Hitler
Wie kann ein Mann, der für Tod und Leid von Millionen Menschen verantwortlich ist, zum beliebten Scherzmotiv im Internet werden? Ist die Unterlegung von Hitler-Bildern mit Wortspielereien eine Form der Vergangenheitsbewältigung mit Humor oder droht dadurch eine Gleichgültigkeit gegenüber den Verbrechen des Nazi-Regimes um sich zu greifen? Standen im 20. Jahrhundert wissenschaftliche Untersuchungen und moralische Verurteilung des Dritten Reichs im Vordergrund, scheint mittlerweile zunehmende Gleichgültigkeit zur Norm zu werden.
Woran das liegen könnte und warum man dieser drohenden Geschichtsvergessenheit angesichts humoristischer Darstellungen in Filmen, Büchern und dem Netz entgegenwirken sollte, stellt der Autor in dieser kenntnisreichen Studie anschaulich dar.
Gavriel D. Rosenfeld ist Professor für Geschichte an der Fairfield University. Seine Forschungsschwerpunkte sind das
nationalsozialistische Deutschland und der Holocaust. Des Weiteren wird er international als versierter Experte der kontrafaktischen Geschichtsschreibung geschätzt.
Gavriel D. Rosenfeld
»Hi Hitler!
Der Nationalsozialismus in der Populärkultur«
Aus dem Engl. von Claudia Kotte
wbg Theiss
ET: 15.03.2021
512 Seiten
48,00 €
ISBN: 978-3-8062-4189-1
Jan Böhmermann tritt als ›Adi‹ Hitler auf: Wäre dies im vorigen Jahrhundert möglich gewesen? Wohl kaum. Heute sind Hitler und
Nazis als Witzfiguren und Parodien salonfähig geworden. Hitler-Katzen, Hitler-Memes oder Walter Moers ›Bonker‹ bevölkern das Internet. Ist dies legitim? Und wenn ja: Was sagt dies über unseren
Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit aus?
„Die zunehmend satirische Darstellung Hitlers im Internet ist Teil eines größeren Wandels, der sich aktuell in
der Erinnerung an die NS-Vergangenheit vollzieht. Seit der Jahrtausendwende bricht in weiten Teilen der westlichen Welt eine mächtige Welle der Normalisierung mit der traditionellen Vorstellung,
dass die Erinnerung an das Dritte Reich aus einer moralischen Perspektive wachgehalten werden sollte.“
Gavriel D. Rosenfeld
Im 20. Jahrhundert war nur die seriöse, die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem ›Dritten Reich‹ akzeptiert. Vor der Folie der Nachzeichnung der Historiographie zum Holocaust beschreibt Gavriel D. Rosenfeld in »Hi Hitler!« die zunehmende Normalisierung, Ästhetisierung, ja die Verharmlosung des Nationalsozialismus in Filmen, Büchern, Comics und im Internet. Eine präzise und wichtige Studie zur richtigen Zeit, die uns unsere Geschichtsvergessenheit vor Augen führt!
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Autor: wbg Theiss; zusammengestellt von Gert Holle - 24.03.2021