Energiespeicherung: Heiß ist die Hoffnung

Mithilfe von Flüssigmetall wollen Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) in Zukunft Wärme bei extrem hohen Temperaturen speichern

Am Karlsruher Flüssigmetalllabor KALLA forscht Dr. Klarissa Niedermeier mit ihrem Team an Hochtemperatur-Wärmespeichern. Foto: Markus Breig / KIT
Am Karlsruher Flüssigmetalllabor KALLA forscht Dr. Klarissa Niedermeier mit ihrem Team an Hochtemperatur-Wärmespeichern. Foto: Markus Breig / KIT

(Karlsruhe / kit) - Für die Stahl- oder Glasindustrie wäre es ein Quantensprung: Öfen mit erneuerbaren Energien heizen. Das ist eines der Ziele von Dr. Klarissa Niedermeier. Sie entwickelt einen Wärmespeicher für Temperaturen von über 700 Grad Celsius. Der Clou: Er funktioniert mit Flüssigmetall. Auf der Hannover Messe 2024 stellt die Forscherin mit ihrem Team einen einzigartigen Prototyp vor.

 

Sollte es bei der Entwicklung von Wärmespeichern eine Königsdisziplin geben, dann wären es Hochtemperatur-Wärmespeicher. Diese Anlagen, die für industrielle Zwecke eingesetzt werden sollen, speichern Energie in Form von Wärme und erreichen dabei Temperaturen von über 500 Grad Celsius. Flüssigsalze oder Feststoffe sind bei der Speicherung der Energie die Mittel der Wahl. Doch wie bei anderen Wettbewerben gibt es auch bei den Wärmespeichern ein noch höheres Ziel, so etwas wie den „Ironman“ unter den Vorhaben: Wärme von über 700 Grad Celsius zu speichern – so heiß wie Lava.

 

In diesem Bereich werden bisher Gase als Medium eingesetzt, die mit Strom aufgeheizt werden. Anschließend transportieren sie ihre Wärme bis zu einem Speichermaterial, das die Hitze aufnimmt, beispielsweise Stahl, Vulkanstein oder Schlacke. Doch Dr. Klarissa Niedermeier vom Institut für Thermische Energietechnik und Sicherheit des KIT will in dieser Kategorie einen ganz neuen Weg einschlagen.

 

 

Wärme leiten, aber 100-mal besser

Im Wärmespeicher wird flüssiges Blei-Bismut als Wärmeträger eingesetzt. Foto: KALLA
Im Wärmespeicher wird flüssiges Blei-Bismut als Wärmeträger eingesetzt. Foto: KALLA

Die promovierte Verfahrenstechnikerin hat mit ihrer Forschungsgruppe einen Wärmespeicher auf Blei-Bismut-Basis entwickelt. Sie ist damit eine der ersten weltweit, die auf den Einsatz von Flüssigmetallen im Wärmespeicher setzt: „Die Wärmeleitfähigkeit von Flüssigmetallen ist 100-mal größer als die von anderen Materialien“, so Niedermeier. „Sie können Energie also extrem gut transportieren und weitergeben.“

 

Seit rund sechs Jahren arbeitet die Wissenschaftlerin an der Technologie. Nicht aus Jux: Die 35-Jährige will damit ressourcenintensiven Branchen helfen, die wetterabhängigen erneuerbaren Energiequellen besser zu nutzen. Denn Industrieprozesse schlucken in Deutschland 400 Terawattstunden Wärme im Jahr, das sind 20 Prozent des gesamten Energiebedarfs der Bundesrepublik. Ob Stahl, Glas, Zement oder Beton: Es wird tagein tagaus bei bis zu 3 000 Grad Celsius gebrannt, geschmolzen und getrocknet. Die Temperaturen müssen dabei stabil bleiben. „Dafür werden bisher zu 90 Prozent fossile Brennstoffe eingesetzt“, erklärt die Ingenieurin. „Das muss sich ändern.“

 

 

Ansätze gibt es schon, beispielsweise die Elektrifizierung von Prozessen oder die Verwendung von Wasserstoff als Energieträger. Mit ihrem Wärmespeicher auf Flüssigmetallbasis will Niedermeier den Firmen eine Lösung bieten, um die Fluktuationen des Stromangebots aus erneuerbaren Quellen abzufedern und eine Energiespeicherung zu ermöglichen, die einfach, kostengünstig, schnell und bei Temperaturen ist, die so nah wie möglich an denen der Industrieprozesse sind.

Keramikkügelchen als Speichermaterial

 

 

 

Das Prinzip des neuartigen Systems: Strom heizt das flüssige Blei-Bismut, das sich in einem Kreislauf befindet, auf über 700 Grad Celsius auf. In einem Stahltank sickert dann das Flüssigmetall zwischen klitzekleinen, weißen Keramikkügelchen hindurch. Dabei gibt das Blei-Bismut seine Hitze an die Kügelchen ab, die als Speichermaterial fungieren. Wenn die Wärme wieder gebraucht wird, läuft das abgekühlte Flüssigmetall zwischen den Kügelchen zurück und heizt sich dadurch auf mehr als 700 Grad Celsius auf. Die Simulationen, die Klarissa Niedermeier und ihr Team am Flüssigmetalllabor KALLA (KArlsruhe Liquid Metal LAboratory) des KIT durchgeführt haben, zeigen: Mit Blei-Bismut kann der Wärmespeicher schneller aufgeheizt und dichter gepackt werden als mit Gas. Man benötigt also kleinere Rohre und weniger Platz, spart Kosten und Zeit.

 

Warum hat niemand früher daran gedacht, Flüssigmetall in Wärmespeichern zu nutzen, wenn es so vorteilhaft klingt? Der erste Grund sei logistischer Natur, so Niedermeier. Es gebe nicht viele Kreisläufe auf der Welt, in denen ein solcher Wärmespeicher getestet werden kann. Das KALLA habe jedoch aus den Zeiten der Kernkraftforschung einen großen Blei-Bismut-Kreislauf, der ursprünglich für die Erforschung der Kühlung von Brennstäben errichtet wurde und nun auch für neue Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien genutzt wird. „Der Kreislauf ist seit mehr als 20 Jahren in Betrieb. Das Team hat also viel Know-how aufgebaut“, erklärt Niedermeier. „Hinzu kommt, dass Flüssigmetalle korrosiv sind, vor allem bei hohen Temperaturen. Dafür werden am KIT spezielle Stahllegierungen für Rohre und Kreislaufkomponenten entwickelt.“

 

Ein weiterer Grund, warum sich wenige Forschende mit Flüssigmetallen in Wärmespeichern beschäftigen, ist physischer Natur: An sich können diese speziellen Metalle Wärme nicht gut speichern. „Man muss also erst mal auf die Idee kommen, dass man Flüssigmetall nur als ‚Transportmittel‘ nutzt und nicht als Speichermaterial im Tank selbst“, erläutert die Ingenieurin.

 

 

Partnerschaften für 700 Grad Celsius und mehr gesucht

Trotz aller Vorteile stellt Niedermeier klar: „Es gibt noch viele offene Forschungsfragen.“ Der Wärmespeicher sei bisher bis 400 Grad Celsius getestet worden und das System sei noch nicht optimiert. Die Forschungsgruppe sucht zum Beispiel ein kostengünstigeres Speichermaterial und versucht gleichzeitig, die Energiedichte weiter zu verbessern. Zudem müssen Pumpen und Ventile für geschmolzenes Blei-Bismut für Temperaturen über 500 Grad Celsius getestet werden.

Auf der Hannover Messe hofft das Team um Niedermeier, mit Firmen Kontakte knüpfen zu können, die mit energieintensiven Hochtemperatur-Prozessen arbeiten oder die Abwärme bei hohen Temperaturen erzeugen und die Wärme zwischenspeichern wollen. Bei der größten Industrieschau der Welt präsentiert das Team zudem eine Nachbildung seines Wärmespeichers, die etwa halb so groß ist wie der tatsächliche Versuchsspeicher am KIT, der für die Speicherung von 100 Kilowattstunden Wärme designt ist. Niedermeier erklärt: „Das ist der erste Flüssigmetall-Wärmespeicher dieser Art weltweit mit einer solchen Kapazität. Uns geht es darum zu zeigen, dass das Prinzip funktioniert und ein riesiges Potenzial für die Defossilisierung der Industrie hat.“

 

 


Info

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 9 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen.

Seine etwa 22 300 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.


Autorin / Quelle: KIT.kompakt 04/24 / Isabella Hartmann - kit.edu/kit/energiespeicherung-heiss-ist-die-hoffnung.php; zusammengestellt von Gert Holle - 24.04.2024


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