Jules Chéret. Plakatkunst der Belle Époque

Spotlight in der Dauerausstellung zu Kunst und Design des 20. Jahrhunderts - 30. Januar bis 2. Juni 2024

Palais de Glace auf der Champs-Elysées, Plakat von Jules Chéret, 1896 Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg - Dauerleihgabe der Oschmann-Stiftung
Palais de Glace auf der Champs-Elysées, Plakat von Jules Chéret, 1896 Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg - Dauerleihgabe der Oschmann-Stiftung

31.01.2024

 

 

(Nürnberg/gnm) - Paris Ende des 19. Jahrhunderts: Die Stadt zieht Künstler und Intellektuelle an, die Wirtschaft boomt, das Nachtleben ist legendär. Das Straßenbild prägen bunte Reklamedrucke, mitunter überlebensgroß, die moderne Konsumgüter und Freizeitvergnügen ankündigen. Eine neue Kunstform ist geboren – das Plakat –, als dessen „Vater“ und „König“ Jules Chéret (1836 in Paris – 1932 in Nizza) gilt. In der Dauerausstellung zur Kunst des 20. Jahrhunderts zeigt das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg ab sofort eine kleine Auswahl von 16 Chéret-Plakaten, die das Pariser Lebensgefühl dieser Zeit spiegeln.

„Ungewöhnlich und für manche überwältigend war diese Permanenz von Bildern im öffentlichen Raum“, hebt Generaldirektor Prof. Dr. Daniel Hess die Bedeutung der neuen Kunstgattung hervor. „Jules Chéret gehörte zu den Pionieren der Plakatkunst, noch bevor Künstler wie Henri Toulouse-Lautrec diese Kunstform für sich entdeckten.“

Chéret dient meist eine junge, kokett lächelnde Dame als zentraler Blickfang. Im eleganten Pelzcape gleitet sie über die glatte Eisfläche des „Palais de Glace“ auf der Champs-Élysées, um das winterliche Vergnügen des Eislaufens zu bewerben, oder dominiert in weiten, wehenden Röcken Theaterbühnen und Tanzparketts. Mit graziler Handhaltung präsentiert sie Petroleumlampen und Kirschlikör – oder vergnügt sich mit Freunden bei einer Achterbahnfahrt. Schnell avanciert dieser Frauentypus, die sogenannte Chérette, zu einer überaus erfolgreichen Werbe-Ikone – und zum Markenzeichen von Chéret. Männliche Begleiter, wenn überhaupt auf seinen Entwürfen vorhanden, sind lediglich im Hintergrund zu erahnen. 

„Galerie der Straße“

Chérets Plakate hingen an Litfaßsäulen, Hauswänden und den damals zahlreichen Pariser Bauzäunen. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts der Architekt Georges Eugène Haussmann die französische Hauptstadt zu einer modernen Metropole umbaute, boten breite Boulevards großzügige Sichtachsen für auffällige Werbeflächen. Zeitgenossen betitelten die Pariser Plakatwände, die das Erscheinungsbild der Metropole prägten, tatsächlich auch als „Galerie der Straße“.

Schon zu seinen Lebzeiten stachen Chérets Plakate heraus, sie wurden preisgekrönt und zu begehrten Sammelobjekten. Beliebt war ihr heiter-beschwingter Stil, der das unbeschwerte Lebensgefühl der Belle Époque wiedergibt. Mancher Passant zog seine Plakate begeistert direkt von der Hauswand ab, andere erwarben eigens Sammlerausgaben, die das Plakatmotiv ohne „störende“ Werbeschrift wiedergeben. Handlicher waren Sonderdrucke in kleinerem Format, die Magazinen und Zeitschriften beilagen.

Weltweite Affichomanie

Über zwei Jahrzehnte beherrschen Chérets Motive den Markt. Die Liberalisierung von Varieté und Vergnügungslokalen sowie der Aufschwung von Wirtschaft und Handel ließen die Nachfrage nach neuen Reklamen stetig steigen. Auch in anderen Großstädten Europas und Amerikas lösten Chérets Motive eine große Plakatbegeisterung, eine „Affichomanie“, aus – der Siegeszug dieses Mediums der Moderne begann.

Neben den lebensfroh-charmanten Motiven überzeugte die hohe künstlerische Qualität. Als Sohn eines Druckers von klein auf mit Drucktechniken vertraut, optimierte Chéret in den 1870er Jahren das Druckverfahren der Farblithografie und gründete eine eigene Druckanstalt. Maximal fünf Farben setzte er ein, die er mittels Spritztechnik aufs Blatt brachte. Durch das Überlagern der Farbschichten ließen sich einfach und kostengünstig zusätzliche Mischtöne und damit auch eine Tiefenräumlichkeit erzeugen. Zudem erwarb Chéret moderne Lithopressen, die es ihm ermöglichten, Großformate zu produzieren. So entwickelte er das Werkeplakat zu einer eigenständigen Kunstform.

Mehr als 1.200 Motive entwarf Chéret in unterschiedlichen Formaten, die vom kulturellen Pariser Leben und der französischen Konsumwelt zeugen. Die kleine Präsentation in der Dauerausstellung zum 20. Jahrhundert zeigt eine Auswahl von 16 Plakaten, bei denen es sich größtenteils um Dauerleihgaben aus der Oschmann-Stiftung in der Graphischen Sammlung handelt. Sie veranschaulichen eindrucksvoll die Bedeutung von Chéret für die Entwicklung und Bedeutung der europäischen Plakatkunst.

Kuratorin
Dr. Claudia Valter, stellvertr. Leiterin der Graphischen Sammlung

 

 

Das Germanische Nationalmuseum ist das größte kulturgeschichtliche Museum des deutschen Sprachraums.
Seit seiner Gründung 1852 verbindet es Menschen und Kulturen über nationale Grenzen hinweg.
Mit 1,4 Millionen Objekten erforscht und vermittelt das GNM einen bedeutenden Bestand des materiellen Kulturerbes Zentraleuropas.
Es ist heute eines der acht Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft.