Ehrenamtsprojekt in Völklingen: „Wir alle profitieren von den Ämterlotsen“

Sprachmittler Mohamad Hamza Alsalkini, Ämterlotse Guido Speicher, Ehrenamtskoordinatorin Annalisa Crisetti, Pastoralreferent Christoph Morgen und Steffi Dincher-Puhl, Teamleiterin im Caritas Beratungszentrum Völklingen. Foto: Ute Kirch
Sprachmittler Mohamad Hamza Alsalkini, Ämterlotse Guido Speicher, Ehrenamtskoordinatorin Annalisa Crisetti, Pastoralreferent Christoph Morgen und Steffi Dincher-Puhl, Teamleiterin im Caritas Beratungszentrum Völklingen. Foto: Ute Kirch

1.03.2024

 

Menschen helfen, die im "Behördendschungel" nicht weiterwissen und zugleich die Beratungsstellen entlasten. Das ist das Ziel des 2022 gestarteten Ehrenamtsprojekts "Ämterlotsen" des Pastoralen Raums Völklingen und des Caritasverbands Saarbrücken. Die Zahlen zeigen: Die Nachfrage ist groß.

 

Von Ute Kirch

 

(Völklingen/bt/uk) – Welche Behörde ist für mein Anliegen die richtige? Was will das Amt mit diesem Brief? Habe ich das Formular richtig ausgefüllt? Wie melde ich mein Kind in der Schule an? Mit Fragen wie diesen haben viele Menschen, die neu nach Deutschland gekommen sind, zu kämpfen – aber nicht nur sie: Ämterdeutsch und Behördengänge stellen auch Muttersprachler vor so manche Hürde.

Um ihnen einen Weg aus dem „Behördendschungel“ zu weisen, ist Mitte 2022 das Ehrenamtsprojekt „Ämterlotsen in Völklingen“ des Pastoralen Raums Völklingen und des Caritasverbands für Saarbrücken und Umgebung e.V. gestartet. Dabei geben Ehrenamtliche, die mit der Amtssprache und den Abläufen vertraut sind, Hilfestellung. Unterstützt werden sie von ehrenamtlichen Sprachmittlern, die bei Sprachbarrieren helfen. Die Nachfrage ist groß: Bis Ende 2023 gab es über 650 Fälle, in den die Ämterlotsen Hilfestellung oder Unterstützung geben konnten", teilen die Projektträger nun mit. Häufigste Beratungsgründe sind demnach Fragen rund um das Bürgergeld, Eltern- und Kindergeld, die Befreiung von Kita-Gebühren und Rundfunkgebühren, aber auch Anträge für Bildung und Teilhabe, Probleme mit der Krankenversicherung oder Anträge zu Schwerbehinderung. Finanziert wird das Projekt jeweils zur Hälfte aus dem Fonds für soziale Teilhabe des Bistums Trier sowie dem Fördertopf für soziale Projekte von Saarland-Sporttoto finanziert.

 

Unterstützung nun an zwei Standorten

„Ich war fast nur noch damit beschäftigt, eine Flut von Antragsformularen auszufüllen, zur eigentlichen Sozialberatung bin ich kaum noch gekommen“, erinnert sich Steffi Dincher-Puhl, Teamleiterin im Caritas Beratungszentrum (CBZ) in Völklingen, an die Zeit vor den „Ämterlotsen“. Viele Ämter kämen ihrer Beratungspflicht etwa beim Ausfüllen der Formulare nicht nach, sondern schickten die Menschen damit direkt zu den Beratungsstellen weiter. „Aber man ändert das System nicht“, sagt Dincher-Puhl. Auch sprachlich seien sie und ihre Kolleg*innen an Grenzen gestoßen, nicht selten wurden selbst jüngere Kinder zum Übersetzen mitgebracht. So entstand die Idee, ein der Beratung vorgeschaltetes Angebot einzuführen, um die Sozialberatung zu entlasten. Dieses Ziel sei erreicht worden: „Wir alle profitieren von den Ämterlotsen.“ Das Projekt sei inzwischen sehr wichtig für die Stadt geworden, sagt Pastoralreferent Christoph Morgen: „Wir erleben, dass mehrmals Klient*innen aus den überlasteten Beratungsstellen der Stadt Völklingen zu den Ämterlotsen verwiesen worden sind.“ Gestartet sei das Projekt im Pfarrhaus St. Eligius, seit Februar 2023 finden die Beratungen zweimal wöchentlich vormittags im Schülerzentrum „Grünes Haus“ statt. Zudem wurde im Juli 2023 ein zweiter Standort eingerichtet: Die Ämterlotsen beraten jetzt einmal wöchentlich in den Räumlichkeiten der Caritas-Gemeinwesenarbeit (GWA) Wehrdener Berg.

 

Fragen zum Bürgergeld häufigster Anlass

Seit Start des Ehrenamtsprojekts haben sich neun Engagierte im Projekt regelmäßig eingebracht, davon drei Personen wöchentlich als Berater*innen sowie sechs als Sprachmittler*innen. Einer von ihnen ist Guido Speicher aus Völklingen. Seit letztem Sommer ist der 66-Jährige als Ämterlotse im Einsatz – im Pfarrbrief hatte er von dem Projekt gelesen. „Inzwischen bin ich in Rente und möchte die Zeit sinnvoll nutzen.“ Mit Behörden und Formularen kennt sich Speicher aus, denn er hat in der Gemeindeverwaltung in Wadgassen gelernt, war über 20 Jahre im Sozialamt und schließlich im Kreissozialamt in Saarlouis. Zuletzt arbeitete er in der Widerspruchsstelle des Jobcenters. Einmal pro Woche berät er drei Stunden lang Menschen in der GWA Wehrden. „Mit Abstand am häufigsten kommen Fragen zum Bürgergeld“, sagt Speicher. Die Ratsuchenden wollen den Bescheid erklärt bekommen, fragen sich, warum sie weniger Geld bekommen oder wo das Geld bleibt. „Bürgergeldbescheide versteht der Laie überhaupt nicht. Auch wir, die das tagtäglich machen, brauchen teilweise Stunden, um zu schauen, ob alles korrekt ist“, findet Speicher.

 

Ämterlotsen müssen keine „Behörden-Profis“ wie Guido Speicher sein, betont Steffi Dincher-Puhl. „Sie sind eine Art Nachbarschaftshilfe, wie wenn man einen Nachbarn um Rat fragt und der hilft, so gut er kann.“ Wissen die Lotsen einmal nicht weiter, stehen ihnen die professionellen Berater der Caritas zur Seite. „Unsere Ämterlotsen machen ihre Aufgabe aus großer Leidenschaft, es ist faszinierend zu sehen, wie sie sich in die Themen einarbeiten“, sagt Morgen. Der enge Kontakt zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen ist allen Verantwortlichen wichtig: „Auch durch Schulungstreffen mit Supervisionscharakter soll einer Überforderung der ehrenamtlichen Engagierten vorgebeugt werden“, erklärt er. Mit Dorothee Schmitt und Gerd Kockler seien zwei Lotsen der ersten Stunde nach wie vor mit Spaß und Motivation dabei. Regelmäßige Treffen hätten die Helfenden auch als Gruppe zusammenwachsen lassen.

 

Keine Veränderungen durch Ukraine-Krieg

Neu im Einsatz als Sprachmittler ist Mohamad Hamza Alsalkini. Der junge Syrer hatte sich an Annalisa Crisetti, Ehrenamtskoordinatorin des Caritasverbands Saarbrücken und Umgebung e.V. gewandt, weil er helfen wollte. „Als ich neu hier war, hatte ich auch viele Schwierigkeiten mit der Sprache und habe Hilfe bekommen“, erzählt er. Seit anderthalb Jahren lebe er nun in Deutschland und hat bereits die Sprachprüfung für das Niveau B2 abgelegt. In Algerien hat er zuvor einen Bachelor in Architektur erworben, in Deutschland möchte er nun einen Master machen. Seine ersten Eindrücke von den Ämterlotsen sind positiv: „Die Leute waren glücklich, dass ein Dolmetscher da war, da waren sie ganz entspannt.“

 

Der Ukraine-Krieg habe sich nicht auf das Projekt ausgewirkt. „Wir dachten, wir bräuchten noch ein Tandem für ukrainisch- und russischsprachige Ratsuchende“, sagt Steffi Dincher-Puhl. Doch anders als die Menschen aus Syrien, die ab 2015 gekommen sind und keinerlei Ansprechpartner hatten, hätten die meisten Ukrainer Bekannte, Freunde oder Verwandte, die ihnen bei den Behördengängen helfen. Aktuell übersetzen die Sprachmittler in den Sprachen Deutsch, Englisch, Kurdisch, Arabisch und Türkisch. „Wir suchen regelmäßig neue Sprachmittler“, sagt Ehrenamtskoordinatorin Crisetti. Finden die ehrenamtlichen Dolmetscher eine Arbeit, fielen sie für das Ehrenamt häufig aus. Bislang habe es keine Schwierigkeiten gegeben, neue Sprachmittler zu finden. Möglicherweise findet das Völklinger Ehrenamtsprojekt demnächst Nachahmer: „Wir haben Gespräche mit Kollegen aus dem Bistum geführt, die ein ähnliches Projekt planen und uns fragen, wie wir es organisieren.“

 

Öffnungszeiten der Ämterlotsen:

Grünes Haus, Schillerstraße 2, 66333 Völklingen: montags und dienstags von 9 Uhr bis 12 Uhr

GWA Wehrden, Zilleichstraße 2, 66333 Völklingen, mittwochs 13.30 Uhr bis 16.30 Uhr

Kontakt: Annalisa Crisetti, Tel. 0681-3090614

 

https://www.pr-voelklingen.de/aemterlotse