EU-Länder sollten Konvention gegen Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz ratifizieren – auch in Hessen sollen Erwerbstätige besser geschützt werden

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13.03.2024

 

- Mehr als jede fünfte Person hat Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz erlebt

- Erster internationaler Vertrag zur Anerkennung des Rechts auf Arbeit frei von Gewalt und Belästigung

- Acht EU-Mitgliedstaaten haben die Konvention bisher ratifiziert
 
- Besserer Schutz vor Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt auch in Hessen

(Straßburg / Berlin/eu) - Am Dienstag hat das Europäische Parlament die Mitgliedstaaten aufgefordert, das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation über Gewalt und Belästigung zu ratifizieren. Auch in Hessen sollen Erwerbstätige besser davor geschützt werden.

Weltweit hat mehr als jeder fünfte Erwerbstätige Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz erlebt, sei es physisch, psychisch oder sexuell. Frauen sind überproportional betroffen: Jede dritte Frau in der EU hat eine Form von körperlicher und/oder sexueller Gewalt erlebt, davon etwa ein Drittel am Arbeitsplatz.

Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt müssen ausgemerzt werden, und das Übereinkommen bietet einen geeigneten Rahmen, um dies zu erreichen, betonen die Abgeordneten.

Das IAO-Übereinkommen Nr. 190 ist der erste internationale Vertrag, der das Recht eines jeden Menschen auf Arbeit frei von Gewalt und Belästigung, einschließlich geschlechtsspezifischer Gewalt und Belästigung, anerkennt. Es verpflichtet die EU-Länder, geeignete Maßnahmen zur Verhinderung von Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz zu ergreifen, um ein gesundes, sicheres und gleichberechtigtes Arbeitsumfeld für alle zu fördern und Maßnahmen zu ergreifen, um Opfer, Zeugen und Informanten vor Viktimisierung oder Vergeltung zu schützen.

Das Parlament gab den EU-Ländern seine Zustimmung zur Ratifizierung des Übereinkommens mit 517 Ja-Stimmen, 59 Nein-Stimmen und 26 Enthaltungen. Im März 2024 hatten acht EU-Mitgliedstaaten die Konvention ratifiziert.

Opfer sexueller Belästigung in Deutschland: Frauen häufiger betroffen

In Deutschland wurden laut der vom Bundeskriminalamt veröffentlichten Polizeilichen Kriminalstatistik 2022 bundesweit 18.657 Menschen sexuell belästigt, darunter 17.242 Frauen und 1.415 Männer. Folglich waren mit 92,4 Prozent die meisten Opfer Frauen. In Hessen lag der Anteil der weiblichen Opfer bei 94,8 Prozent und damit sogar über dem Bundesdurchschnitt: In dem  Bundesland wurden 1.165 Menschen sexuell belästigt, davon 1.105 Frauen. 

Die Zahlen beziehen sich auf Fälle sexueller Belästigung im Sinne des Strafgesetzbuchs (StGB) § 184i, bei denen Opfer in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt worden sind. Es handelt sich dabei um gemeldete Fälle, die Dunkelziffer könnte weit höher liegen, da viele Straftaten nicht zur Anzeige gebracht werden.

Laut einer repräsentativen Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2019 erlebten Frauen auch am Arbeitsplatz häufiger sexuelle Belästigung als Männer. Mit rund neun Prozent der Befragten war etwa jeder elfte Erwerbstätige in den vorangegangenen drei Jahren im Job sexuell belästigt worden. Dabei waren Frauen mit 13 Prozent deutlich häufiger betroffen als Männer (5 Prozent). Etwa drei Viertel aller Opfer waren weiblich und ein Viertel männlich. 82 Prozent der Betroffenen gaben an, die Täter seien ausschließlich oder überwiegend Männer gewesen. 

Zitate

Cindy Franssen (EVP, BE), Berichterstatterin für den Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter, sagte: "Die heutige Abstimmung ist ein Meilenstein für alle europäischen Frauen. Das ILO-Übereinkommen (International Labour Organization) Nr. 190 bietet einen klaren Handlungsrahmen und die Möglichkeit, ein gewaltfreies Arbeitsumfeld zu gestalten. Es liegt nun an den Mitgliedstaaten, das Übereinkommen zu ratifizieren und einen integrierten und integrativen Ansatz zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz zu verfolgen."

Kira Marie Peter-Hansen (Grüne/EFA, DK), Berichterstatterin für den Beschäftigungs- und Sozialausschuss, sagte: "Hier geht es nicht nur darum, Kästchen auf einer politischen Checkliste abzuhaken, sondern schlicht und einfach darum, das Richtige zu tun. Diese Konvention erkennt an, dass Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz nicht zufällig sind – sie treffen bestimmte Gruppen ungerechterweise stärker als andere. Indem wir diese Konvention unterstützen, setzen wir uns für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weltweit ein und sagen: Es reicht jetzt. Ich fordere daher alle Mitgliedstaaten auf, sich uns in diesem entscheidenden Kampf für Gerechtigkeit anzuschließen. Es ist an der Zeit, den Worten Taten folgen zu lassen und dem Missbrauch am Arbeitsplatz ein für alle Mal ein Ende zu setzen. "

Nächste Schritte

Nachdem das Europäische Parlament nun seine Zustimmung gegeben hat, kann der Rat den Beschluss, mit dem die Mitgliedstaaten zur Ratifizierung des Übereinkommens über Gewalt und Belästigung aufgefordert werden, förmlich annehmen.

Weitere Informationen

Link zum Berichtsentwurf 

Link zur Plenardebatte

Schritte des Verfahrens

Internationale Arbeitsorganisation – Erfahrungen mit Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz: Eine erste weltweite Erhebung