David Chipperfield Architects Berlin hat heute die Pläne für die Sanierung des Süd- und Südwestbaus des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg vorgestellt

Visualisierung des Klosterhof mit neuem Kreuzgangflügel. © Onirism Studio für David Chipperfield Architects
Visualisierung des Klosterhof mit neuem Kreuzgangflügel. © Onirism Studio für David Chipperfield Architects

2.02.2024

 

(Nürnberg/gnm) - Beim Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg handelt es sich um ein außergewöhnliches Architektur-Ensemble: Kern des 1852 gegründeten Museums ist ein mittelalterliches Kartäuserkloster, das Ende des 19. Jahrhunderts und in den 1920er Jahren um historistische Gebäudeteile ergänzt, nach dem Zweiten Weltkrieg von Sep Ruf teilweise wiederaufgebaut und letztmals in den 1990er Jahren mit postmodernen Anbauten erweitert wurde. Nun müssen der sogenannte Süd- und Südwestbau aus der Zeit um 1900 und den 1960er Jahren baulich ertüchtigt werden. Dafür stellte Projektleiter Moritz Fritz vom Berliner Büro von David Chipperfield Architects jetzt erstmals die Pläne vor.

„Diese Sanierung ist die wichtigste Baumaßnahme des Germanischen Nationalmuseums nach dem Tiefdepot. Neben der baulichen Ertüchtigung und neuen Erschließung der Gebäude um den Klosterhof wird auch die Dauerausstellung neu konzipiert. Erstmals wird dann das GNM in der vielschichtigen Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts verortet“, betont Generaldirektor Prof. Dr. Daniel Hess: „Unsere Gegenwart ist nur vor dem Hintergrund des 19. Jahrhunderts verständlich.“

Die Instandsetzung verfolgt vor allem zwei übergeordnete Ziele: die denkmalgeschützte Substanz weitgehend zu erhalten, außerdem teils ursprüngliche Zeitschichten wieder sichtbar zu machen. Unabdingbare Maßnahmen werden dabei behutsam und größtenteils nicht sichtbar integriert, denn die Ästhetik der Gebäude darf nicht verändert werden. Der aus den 1960er Jahren stammende Südbau verfügt über eine sich über vier Stockwerke erstreckende Glasfassade. Ihre energetische Ertüchtigung stellt eine der großen Herausforderungen dar. Die Integration eines Lichtschutzes und der Einbau einer Klimaanlage in den Obergeschossen sind weitere notwendige Maßnahmen. Der Einsatz natürlicher Materialien wie Lehmbauplatten wird sich positiv auf das Raumklima auswirken. Nachhaltigkeit ist gewährleistet, indem große Teile der Böden, Decken- und Wandbekleidungen denkmalgerecht demontiert, gereinigt und wiedereingebaut werden. Innerhalb der Ausstellungsfläche verbindet zukünftig eine zentrale Treppe alle Geschosse, neben der zusätzlich ein neuer Personenaufzug den barrierefreien Zugang garantiert.

Der massive neugotische Südwestbau von Gustav von Bezold wurde um 1900 errichtet und beherbergt den sogenannten Rittersaal, in die Architektur integrierte Bauernstuben und Kunst und kunsthandwerkliche Objekte aus dem 19. Jahrhundert. Nach Kriegsschäden wurde der Bau in schlichterer Form ohne seine Ornamentik wiederaufgebaut. David Chipperfield Architects Berlin plant, noch erhaltene bauzeitliche Schichten wie die florale Deckenmalerei im Rittersaal wieder freizulegen, um die ursprüngliche Idee der Architektur als Ausstellungsobjekt zu betonen. Die bedeutende Sammlung an Rüstungen und Waffen wird wieder in den Rittersaal zurückkehren. Die Bauernstuben verbleiben an ihrem derzeitigen Ort im Südwestbau.

Optimierung der Wegeführung

 

Zur Optimierung der Wegeführung wird der im Zweiten Weltkrieg zerstörte Kreuzgangflügel, der einst den Großen Klosterhof im Süden begrenzte, wiedererrichtet. Die Pläne von David Chipperfield Architects Berlin sehen eine zeitgenössische Interpretation als schlichtes Ziegelvolumen mit Spitzbogenfenstern und begrüntem Flachdach vor. Form und Material des neuen Kreuzgang-Südflügels stehen in der Tradition des Architekten Hans Döllgast – einem Weggefährten Rufs –, der in seinen Entwürfen die Reparatur kriegszerstörter Gebäude durch sichtbares Mauerwerk aus Ziegeln kenntlich machte. Zudem betont die bauliche Ergänzung die ursprüngliche Dimension des Klosterhofs. Der Zugang zum Süd- und Südwestbau wird nicht wie bisher über das Treppenhaus erfolgen, sondern durch einen Verbindungsgang zwischen neuem Kreuzgangflügel und Südbau. Über den Kreuzgang gelangen Besucher*innen zukünftig unabhängig in jedes Ausstellungsgebäude. Sackgassen im Museumsrundgang werden aufgehoben, was die Wegeführung und Orientierung in dem rund 25.000 m2 großen Musemskomplex erleichtert.